Gleich drei Wecker klingeln die 23-jährige Amateur-Rennreiterin Latisha Huber morgens zwischen 4:25 und 4:50 Uhr aus dem Bett. Und dann heisst es: Auf in einen langen, anstrengenden, aber vor allem erfüllenden und abwechslungsreichen Tag mit ihren Lieblingen, den Rennpferden. Was Latisha bei der Arbeit und an den Renntagen alles erlebt, erfährt ihr im Interview.


Latisha Huber mit HAUTOT nach einer Trainingseinheit.
Ich bin im Wehntal aufgewachsen. Die Rennbahn in Dielsdorf mit allen umliegenden Renn- und Sportställen hatte ich vor der Haustür. Schon als kleines Mädchen verbrachte ich viel Zeit in den Ställen, und die Arbeit der Trainer und Reiter faszinierte mich. Als es später dann um die Berufswahl ging, entscheid ich mich für eine Lehre als Pferdefachfrau.
Die Rennpferde faszinieren mich seit eh und je. Der Reiz, irgendwann ein Rennen zu reiten, war immer da. So rief ich eines Tages Rita Seeholzer an, die zusammen mit Pepi Stadelmann einen Rennstall im Horse Park betreibt. Rita und Pepi führten mich Schritt für Schritt in die Haltung und ins Training von Rennpferden ein. Im September 2022 stieg ich voll in den Rennsport ein und erlangte die Lizenz als Amateur-Rennreiterin.
Das ist für mich zum Glück nicht so ein Thema. Ich bin 1.64 m gross und zwischen 48 und 50 kg schwer. Essen kann ich alles, worauf ich Lust habe. Vor gewissen Rennen versuche ich sogar zuzunehmen, damit ich nicht zu viel Blei mittragen muss. (→ «Handicap», Turf Alphabet)

Latisha Huber mit BLUE RIALATA auf der Pferderennbahn Aarau.

Latisha Huber mit LES FEUXGRETS auf der Pferderennbahn Frauenfeld.
(Fotos: Michèle Forster, animalrace.art)
Im Normalfall reagieren Rennpferde sehr gut auf die Stimme und auf Pfeifen. Wenn jemand nicht Pfeifen kann, hat er im Rennsport ein gröberes Problem [lacht]. Zudem trainieren Rennpferde in der Gruppe und sind sich klare Abläufe gewohnt, die sich jeden Tag wiederholen. Grundsätzlich wissen sie, an welchen Stellen der Bahn gebremst wird. In 99.5 % der Fälle funktioniert das mit dem Bremsen.
Wenn man einmal die Kontrolle über das Pferd verliert, sollte man auf keinen Fall an den Zügeln herumzerren. Bleib in der Mitte der Bahn, lass das Pferd galoppieren und versuche es an jener Stelle durch Pfeifen oder die Stimme herunter zu bremsen, an der es sich gewohnt ist anzuhalten und von der Bahn zu gehen. Es darf nicht durch die Bahnausgänge galoppieren… das Verletzungsrisiko wäre immens. Wenn es beim ersten Versuch nicht klappt, galoppierst du weiter und versuchst es bei der nächsten Gelegenheit wieder.
Ja [lacht]. Ich konnte die Stute schlussendlich an einer der üblichen Stellen anhalten – einfach eine Runde später.
Lass uns über die Rennen sprechen. Was ist das Herausforderndste daran?
Es ist ein Mix aus Taktik und Intuition, aus Rücksicht nehmen auf die anderen und sein eigenes Ding durchziehen. Die Pferde haben unterschiedliche Stärken – eines zündet erst im Finish, ein anderes muss von Anfang an vorne mit. Die Herausforderung besteht vor allem darin, die mit Trainer und Besitzer vereinbarte Taktik bestmöglich umzusetzen und gleichzeitig spontan auf das Renngeschehen anzupassen.
Nein. Im Gegenteil. Ich muss eher aufpassen, dass ich nicht zu gechillt bin. Wenn wir beispielsweise nach Avenches fahren, darf ich nicht einschlafen im Auto. Ich komme sonst nicht richtig in die Gänge für die Rennen. Am besten ist es, wenn ich vor den Rennen leicht genervt, gestresst oder sonst wie emotional geladen bin – dann ist mein Adrenalinspiegel auf dem richtigen Level.

Latisha im Training auf der Sandbahn im Horse Park.
(Foto: melvinsight)
Man mag den anderen einen Sieg gönnen. Manchmal freut man sich sogar richtig mit – sofern man kein eigenes Pferd im Rennen hatte [lacht]. Nein ernsthaft, natürlich geht es grundsätzlich ums Gewinnen. Der Galoppsport ist unser Business, mit dem wir unseren Lebensunterhalt verdienen. Und dennoch würde ich sagen, dass es auf der Rennbahn recht freundschaftlich zu und her geht.
Eine gute, solide Grundausbildung rund ums Reiten und die Pferdepflege finde ich das Wichtigste. Man sollte die Basics kennen, wie man ein Pferd gesundheitserhaltend reitet und artgerecht pflegt. Rennpferde sind Leistungssportler! Man sollte fähig sein, schnell zu erkennen, wenn es einem Pferd nicht gut geht, wenn es ein dickes Bein hat, lahmt oder ein Eisen nicht gut sitzt. Am besten verbringt man viel Zeit in einem Rennstall, hilft mit, beobachtet und lernt von Trainern und erfahrenen Trainingsreitern und Jockeys. Man muss ja nicht von Anfang an reiten. Zuerst sollte man das System kennenlernen.
Man muss mit Druck und Stress umgehen können und ein hohes Tempo fahren, auch im Alltag. Es braucht Selbstbewusstsein, Mut, die Lust am Wettkampf, Durchhaltewille und das Bestreben, sich stetig zu verbessern. Ebenfalls wichtig finde ich, dass man einerseits Kritik annehmen, andererseits konstruktives Feedback geben kann. Darüber hinaus muss man sich schnell auf fremde Pferde einlassen, schnell denken und Entscheidungen treffen können. Ein Rennverlauf kann sich schnell ändern - da muss man reagieren können.
Zuhören! Ich habe viel aus Feedbacks von meinen Trainern und erfahrenen Jockeys gelernt. Zudem schaue ich oft Streams von internationalen Rennen, beobachte den Rennverlauf und analysiere, warum die Gewinner gewinnen und die Verlierer verlieren.
Horse Park, im September 2025
TELE TOP begleitet Latisha Huber und ihren Trainer Pepi Stadelmann durch den Range Rover - Jockey Club Renntag vom 21. September 2025 auf der Parkrennbahn Zürich-Dielsdorf.


Die Pferdewoche porträtiert Latisha Huber in der Ausgabe vom 12. Juni 2025. Der Artikel kann mit freundlicher Genehmigung von Barbara Würmli hier heruntergeladen werden.
