Jubiläumsbuch Geschichte 6: Zukunft Horse Park

Sonntag, 01. Mai 2022

Zukunft Horse Park 2012 - 2022

Auf starkem Fundament

 

Als die «Basler Zeitung» im April 2018 eine Reportage über Anton Kräuliger verfasst, den im Kanton Bern wohnhaften Basler Unternehmer, der in Zürich die Pferderennbahn Dielsdorf rettet, beginnt der Artikel in den Stallungen bei Pont des Arts: «‹Unglaublich, dieses Pferd›, sagt der 71-jährige Anton Kräuliger, während er den braunen Hengst ansieht, der in der Box nervös tänzelt. Unter dem glänzenden Fell des grossen Tieres zeichnen sich die Muskeln ab, es beäugt die Fremden misstrauisch, schnaubt verächtlich. Pont des Arts, genannt Zizou, ist der Herrscher im Pferdesportzentrum Dielsdorf. ‹Vorsicht›, mahnt Anton Kräuliger, als die Journalistin einen Schritt auf das Tier zugehen will. Zizou hat viele Preise für den pferdebegeisterten Unternehmer eingeheimst. Er war das erfolgreichste Rennpferd aller Zeiten der Schweiz. Heute wird der Senior als Führpferd im Training eingesetzt. Doch nur der Trainer Andreas Schärer wird mit ihm fertig. Er führt ihn für ein Fotoshooting nach draussen, unter dem Fell des stolzen Braunen spielen die Muskeln. ‹Der bleibt bei uns, bis er nicht mehr mag›, sagt Kräuliger und lässt zum ersten, jedoch nicht zum letzten Mal sein glückliches Lachen ertönen.» Drei Jahre später mag Pont des Arts noch immer und noch immer lacht Toni Kräuliger herzlich, wenn er von Pont des Arts schwärmt und über sein Engagement in Dielsdorf spricht. Er sagt: «Ich bin ein glücklicher Mensch und freue mich, meine Projekte umsetzen zu können.» Sein Glück ist auch das Glück des Pferderennsports in der Schweiz. Dank Toni Kräuliger lassen sich 150 Jahre Rennverein Zürich sowie 50 Jahre Pferderennbahn Dielsdorf frohgemut resümieren und 10 Jahre Horse Park Dielsdorf erlauben, zuversichtlich in die Zukunft zu schauen. Die Zürcher Pferderennen stehen auf einem starken und gesunden Fundament.

 

In der DNA des Unternehmers

Anton Kräuliger vereint die Qualitäten, die es zur Führung einer Pferderennbahn braucht. Er ist seit seiner Jugend vom Pferd fasziniert und mit der DNA des (militärisch geprägten) Entrepreneurs ausgerüstet. Kräuliger weiss zu führen, Verantwortung zu übernehmen, Risiken zu tragen – und er vermag sich durchzusetzen. Das ist schon so, als er sich dazu entschliesst, nach dem humanistischen Gymnasium im Collège Saint-Charles in Porrentruy und der welschen Matura in der Abbaye de Saint-Maurice an Stelle der vom Vater erhofften klerikalen Karriere an der ETH in Zürich Maschineningenieur zu studieren. Mit dem Diplom in der Tasche steigt er Mitte zwanzig in den väterlichen Betrieb ein, die 1899 gegründete Metallgiesserei und Armaturenfabrik Lyss. 1978 übernimmt er das Unternehmen, kauft dem Vater die Aktien ab und formt in der Folge durch Übernahmen von Konkurrenten die Similor-Gruppe, die führende Schweizer Anbieterin von Sanitärarmaturen. Als Kräuliger die Unternehmensgruppe 2005 verkauft, erwirtschaftet diese mit 350 Angestellten einen zehnfachen Umsatz von gegen 130 Millionen Franken bei einem respektablen Betriebsergebnis. Doch dabei will er es nicht belassen. So engagiert sich der Unternehmer, der in der «Tribune de Genève» als «roi du robinet suisse» (König des Schweizer Wasserhahns) bezeichnet wird, schon bald bei verschiedenen neuen Projekten. Deren Erfolge ermöglichen ihm, sich auch Aufgaben wie dem Horse Park zuzuwenden, die rein wirtschaftlich gesehen eigentlich unvernünftig sind. Doch es geht darum, die Dielsdorfer Anlage im Interesse des gesamten schweizerischen Pferderennsports auf Dauer zu sichern. An das Engagement wird allerdings die Bedingung geknüpft, dass die Altlasten im Verein vorgängig bereinigt werden. Dafür setzen sich Präsident Hans-Peter Ess und Finanzchef Marc Hunziker ein, die den Boden für den Neustart ebnen und gegen diversen Widerstand unbeirrt die Weichen in Richtung Kräuliger stellen. Ende 2012 wird die Horse Park Dielsdorf AG gegründet, an der Anton Kräuliger heute 65 Prozent der Aktien hält. Mit 15 Prozent ist der Rennverein Zürich beteiligt, je 10 Prozent liegen beim Jockey Club und der Familie Würtenberger. Für 1,2 Millionen Franken übernimmt die neue Firma vom Rennverein Zürich das Baurecht. Im 2013 folgen für 1,4 Millionen Franken erste Renovations- und Ausbauarbeiten: Erneuerung Boxendorf inklusive Personalraum, neue Paddocks, neuer Cross-Parcours, Holzschnitzelbahn, Erneuerung der Grasbahn. Weitere rund 5 Millionen Franken werden ab 2014 in den Bau einer neue Reit- und Eventhalle, in einen neuen Sandplatz mit Ebbe-Flut-System und in diverse technische Neuerungen gesteckt. An der Generalversammlung vom 24. März 2015 wird Anton Kräuliger zum neuen RVZ-Präsidenten und Nachfolger von Hans-Peter Ess gewählt. Verein wie Anlage lassen sich aus einer Hand besser führen.

 

Die Passion Vollblut teilt Anton Kräuliger zusammen mit seiner Frau Verena.

 

Die Zukunft gehört dem Horse Park

«Ich sagte von Anfang an, dass ich für 1,2 Millionen das Baurecht übernehme und noch 2 Millionen in die sanfte Renovation stecke», sagt Kräuliger zu seiner Idee, in Dielsdorf eine multifunktionale Anlage zu erstellen, die in der Zukunft nicht allein vom Rennsport abhängig ist. Mittlerweile liegen die getätigten Investitionen freilich bereits im zweistelligen Millionenbereich. Weil nach der ersten Ausbauetappe im Jahr 2018 in einem zweiten Schritt für rund 2,2 Millionen Franken eine zweite Halle mit 40 neuen Gastboxen entsteht. Mit Blick auf das Jubiläumsjahr wird für eine weitere Million der neue VIP-Pavillon errichtet. Früher als geplant kann dieser bereits anlässlich des Renntages vom 21. August 2021 eingeweiht werden. Denn im Januar bricht das bisherige VIP-Zelt unter der Last des ungewöhnlich vielen Schnees zusammen. Schnell ist klar, dass sich ein Wiederaufbau nicht mehr lohnt und der Neubau vorzuziehen ist. So stellt sich im Sommer 2021 die Frage: Ist der Horse Park Dielsdorf jetzt fertig gebaut? «Ich bin ein Perfektionist», antwortet Anton Kräuliger und erinnert an seine berufliche Tätigkeit. «Was wir tun, tun wir gut, war meine Devise. Daran halte ich mich auch im Horse Park.» Bezüglich der Infrastruktur ist auf der Dielsdorfer Anlage der Endausbau wohl erreicht, weiter perfektionieren liesse sich indes die sportliche Nutzung. «Der Innenbereich könnte für die Vielseitigkeit ausgebaut werden», deutet Kräuliger an.

 

Der neue VIP-Pavillon kann im Sommer 2021 seiner Bestimmung übergeben werden.

 

Bereits im Jahr 2020 hat der Horse Park mit dem Dachverband, dem Schweizerischen Verband für Pferdesport SVPS, eine Nutzungsvereinbarung für FEI-Disziplinen (Springen, Dressur, Vielseitigkeit, Voltige) abgeschlossen. So wird die Anlage schon jetzt von Elitekadern für Trainings genutzt. Auch figuriert der Horse Park im Katalog des Nationalen Sportanlagenkonzepts NASAK, mit dem der Bund Sportanlagen von nationaler Bedeutung fördert. Eine vergleichbare Vereinbarung wie mit dem SVPS wäre auch mit dem OKV (Verband Ostschweizerischer Kavallerie- und Reitvereine) möglich, sollte dies gewünscht sein. Für die Zukunft des Rennvereins und der Zürcher Pferderennen spielt der Horse Park damit eine wichtige Rolle. Längerfristig besteht die Option, das Baurecht mit der Gemeinde Dielsdorf um weitere 100 Jahre zu verlängern, mittelfristig trägt er mit der Konsolidierung der finanziellen Situation auch zur wirtschaftlichen Tragfähigkeit der Rennen bei. Rund 12 Millionen Franken beträgt mittlerweile die Bilanzsumme der Horse Park Dielsdorf AG, dies bei einem Eigenkapitalanteil von gegen 40 Prozent. «Wir erzielen mit dem Horse Park seit Gründungsbeginn schwarze Zahlen, weil wir kein Geld entnehmen, sondern einzig die notwendigen Abschreibungen vornehmen», sagt Kräuliger und bekräftigt, dass das Unternehmen auf solidem Fundament steht. Anders sieht es beim Verein und den Rennen aus. Der Verein könne bei unvorsichtigem Handeln in ein bis zwei Jahren finanziell zugrunde gerichtet werden, gibt Toni Kräuliger zu bedenken.

 

Deshalb ist ihm die finanzielle Tragfähigkeit der Rennen so wichtig, es sei seine grösste Herausforderung, wie er selber sagt. Über eine halbe Million Franken sind notwendig, um pro Saison vier bis fünf Renntage durchführen zu können. «Davon müssen rund 75 Prozent durch uns selber gesichert sein», betont Kräuliger nun in der Funktion des RVZ-Präsidenten und mit Blick darauf, dass er nach dem Jubiläumsjahr keine weitere Amtszeit anstreben wird und die Geschicke in jüngere Hände geben will. Dannzumal muss die Finanzierung breit abgestützt, der Rennverein ein «Selbstläufer» sein. Deshalb sind ihm Kreise, die den Rennen und dem Rennverein nahestehen und wohlgesinnt sind, so wichtig. Neben dem Horse Park und dem Vereinsvorstand sind dies der Jockey Club, die Stiftung Grosser Preis der Stadt Zürich und der neu lancierte St. Leger Club. Zusammen mit weiteren Einzel- sowie Firmengönnern oder Gruppierungen wie dem Club der Rennpferdebesitzer können sie die erwähnten 75 Prozent der alljährlich benötigten Mittel alimentieren. So müssen Sponsoren aus der Wirtschaft «nur» noch für die verbleibenden 25 Prozent gesucht werden, was immer noch einer stattlichen Summe von rund 150 000 Franken entspricht.

 

Das Vollblut im Blut

Auch wenn sich Toni Kräuliger bereits um seine Nachfolge bemüht, vom Vollblut wird er kaum so schnell Abschied nehmen. Er schwärmt: «Wenn man einen Vollblüter reitet, Kopf an Kopf im vollen Galopp auf einer Rennbahn, ist das schon faszinierend und ein unbeschreibliches Gefühl.» Noch regelmässig schwingt er sich zu Hause im Berner Seeland für Ausritte in den Sattel eines seiner pensionierten Galopper, zu denen er ursprünglich durch seine Gotte findet, durch die Gattin des Aarauer Rennvereinspräsidenten Hubert Erne. «Sie war eine sehr gute Reiterin und sie schenkte mir in der Basler Reitschule St. Jakob, die damals hinter der Grosspeter Garage stand, zehn Longenstunden.» Die Reitschule führt kein Geringerer als Ernest Haccius, der frühere Kommandant des Depots in Bern und erster Equipenchef der Schweizer Springreiter. Während des Studiums in Zürich kommt Kräuliger über Max Giger mit den Vollblütern in Kontakt. Frühmorgens wird in Dietikon, wo Walter Rysanek die Pferde des Stalles Aurora von Vater Andretto trainiert, ausgeritten. «Ich war schmächtig, konnte essen, was ich wollte, und brachte bloss 56 Kilogramm auf die Waage», sagt Kräuliger und lacht abermals glücklich. Denn vom Sattel geht’s bei Rysanek an den Frühstückstisch und erst danach zurück in die Vorlesung an der ETH. Und als Toni Kräuliger 1972 in die Firma des Vaters eintritt, lässt ihn Gaston Delaquis wissen, dass es rund um Bern einzig bei Richard Kläy Rennpferde gibt. Auf Kläys Halbblüterin Daisy gewinnt Anton Kräuliger sodann sein erstes Rennen, doch erzählt er von einem folgenschweren Ritt in Basel: «Ich bewundere meine Frau. Sie hat das alles mitgemacht, obschon der Anfang für sie kein positives Erlebnis war. Als sie mich das erste Mal an die Rennen begleitete, stürzte ein Jockey und zog sich tödliche Verletzungen zu.» Doch wie im beruflichen hat sich im privaten Leben von Toni und Vreni Kräuliger alles zum Guten entwickelt, sie haben zwei Töchter und sind stolze Grosseltern. Auch deshalb ist Anton Kräuliger ein positiv denkender und fröhlicher Mensch, ein Unternehmer und Macher, der grosse Freude am Gestalten und das Vollblut quasi im eigenen Blut hat. Er sagt: «Zum Traber werde ich erst, wenn ich selber nicht mehr galoppieren kann.»

 

In Dielsdorf liefern sich Nightdance Paolo und Pont des Arts im 2011 einen packenden Finish und bieten damit ein Jahrzehnt später die Vorlage für das Sujet zu 150 Jahre Rennverein Zürich.


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